Mission To Planet G - Sven Schumacher

von Hansi Tietgen

Der Sänger, Songwriter und Gitarrist Sven Schumacher machte zum ersten Mal mit seiner Band, den Alternatve-Rockern Gum auf sich aufmerksam. Mit zahllosen Gigs in ganz Deutschland sorgte die Band für Aufsehen und erspielte sich schnell eine treue Fan-Base. Nach Problemen mit dem Label kam der Break. Die Band fiel auseinander. Mit seinem ersten Soloalbum Sven Schumacher beendet der talentierte Musiker die Phase der Stagnation. Popmusik vom Feinsten ist angesagt. Hansi Tietgen traf Sven in Hamburg und sprach mit dem Sympathen über seine Karriere, das neue Album und die Vergangenheit.

?PG: Hi Sven, da viele Leute dich sicher noch nicht kennen, lass uns zu Beginn unseres Gesprächs doch einfach ein wenig über deine Vergangenheit sprechen. Die Standardfrage wäre: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

!SS: Okay gerne. Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Meine Mutter hat mich und meinen Bruder, im Rahmen ihres Englisch-Studiums, mit nach San Franzisco genommen. Damals waren wir 11. Das Coole am amerikanischen Schulsystem ist, dass jeder im Musikunterricht ein Instrument lernen muss. Ich entschied mich damals für die Violine. Das Ganze ist aber ziemlich nach hinten losgegangen und endete in einem absolutes Katzengejammer. Später sind wir dann von San Franzisco nach Sausalito umgezogen und an der neuen Schule habe ich es mit Posaune probiert. So richtig toll war das aber auch nicht. Neben diesen instrumentalen Gehversuchen habe ich aber schon immmer gesungen. Als kleiner Junge war ich sogar eine zeitlang Mitglied in einem Chor. Die Singerei war für mich von jeher ein absoluter Ausgleich. Hier fand ich meine Entspannung und konnte Druck ablassen. Nachdem wir aus den Staaten zurückgekehrt waren, besuchten mein Bruder und ich ein Jahr lang ein Internat, auf dem es auch so etwas wie eine Hausband gab. Mein Bruder fing damals an, Drums zu spielen und nach dem Internatsjahr gründeten wir unsere erste eigene Band. Das Ganze fand zur Zeit der Neuen Deutschen Welle statt und das Erstaunliche war, dass es in dem Dorf, in dem wir damals lebten, eine ziemlich rege Musikszene gab. Der Besitzer eines Kurhauses stellte den Punks regelmäßig seinen Saal zur Verfügung, damit sie dort ihre Konzerte veranstalteten konnten. Es ging zwar häufiger mal was zu Bruch, aber davon ließ er sich nicht schrecken. Das war schon legendär.

?PG: Neben deiner Sangestätigkeit, bist du ja auch ein ziemlich versierter Gitarrist. Wie bist du denn damals überhaupt zur Gitarre gekommen?

!SS: Ich habe gerade am Anfang unserer Bandaktivitäten, fast alles mal ausprobiert. Eine Zeit lang spielte ich sehr intensiv Bass. Auf die Gitarre bin ich dann mit 16 umgestiegen, nachdem unser damaliger Gitarrist die Band verlassen hatte und wir auf die Schnelle keinen neuen finden konnten. Also entschloß ich mich, damit wir weitermachen konnten, auf die Gitarre umzusteigen. Ich kannte zwar schon ein paar Wander- und Barré-Akkorde, wollte es dann aber doch noch einmal richtig wissen und hängte mich voll rein. Das Bassspielen betrieb ich von diesem Zeitpunkt an nur noch nebenher.

?PG: Du hast es dir ja auch auf deinem neuen Album nicht nehmen lassen, alle Bässe selber zu spielen!

!SS: Klar, ich habe immer mal wieder in verschiedenen Projekten als Bassist gearbeitet. Zum Beispiel bei Nikko And The Passionfruit oder Dirk Darmstädter. Ich finde die Arbeit als Bass-Mann irgendwie sehr angenehm. Es ist das absolute Gegenteil zum Job des Frontmanns. Du stehst weiter im Hintergrund und konzentrierst dich auf das Grooven. Das Ganze ist irgendwie entspannter.

?PG: Wie ist es dann weitergegangen? Wie seit ihr Beiden dann aus dem ruhigen Dorf in Norddeutschland in die Metropole - nach Berlin - gekommen?

!SS: Da kam wieder meine Mutter ins Spiel. Sie wollte nach Berlin, um die Potsdamer Filmhochschule zu besuchen und sich so einen Jugendtraum zu verwirklichen. Mein Bruder und ich sind dann zu meinem Vater nach Wilhemshaven gezogen. Da sich das Zusammenleben mit ihm schwieriger gestaltete, als gedacht, holte uns meine Muter dann doch zu sich nach Berlin. Das war für uns natürlich die Sache überhaupt. Wir hatten uns mit unserer Band No Harms auch in Wilhelmshaven schon ganz auf das Musikmachen verlegt und erhofften uns von diesem Umzug eine ganze Menge. Eine andere Band aus unserer Region - Strangemen - hatten einen ähhnlich Weg eingeschlagen und wir hatten gerüchteweise gehört, dass sie sich in Berlin sehr gute etabliert hatten. Gesagt, getan. Wir tauchten voll in die Szene ein und lernten jede Menge Musiker kennen. In so einer großen Stadt hat man halt doch ganz andere Möglichkeiten, sich zu präsentieren, als auf dem flachen Land. Da unser Bassmann damals auch mit nach Berlin gegangen war, machten wir zunächst einmal in der Original No Harms-Besetzung weiter. Wir nahmen dann ein Demo auf und gaben es den Jungs von Strangemen, die das Band dann netterweise ihrer Plattenfirma, dem Vielklang Label, vorlegten. Die fanden unseren Sound richtig gut und wir unterschrieben einen Vertrag, im Rahmen dessen wir zwei Alben veröffentlichten. Die erste Scheibe war - wie soll ich es nennen - Powerpop. Das zweite Album ging eher in Richtung Living Colour und Crossover. In dieser Phase unserer Karriere haben wir sehr viel herumexperimentiert und die Tatsache, dass in der Berliner Szene der Rock 'n' Roll großgeschrieben wurde, hat uns im Endeffekt doch ziemlich beeinflusst. Später ist dann unser Bassist ausgestiegen, weil er sich nach einem Urlaub in den Kopf gesetzt hatte, nach Thailand zu gehen, um dort zu leben. Da unser damaligen Techniker von Hause aus eigentlich Bassist war, fanden wir aber schnell Ersatz. Nach dieser Umbesetzung wechselten wir den Namen und nannten uns fortan Gum. Wir hatten Glück und kriegten zügig einen neuen Deal. Unsere Musik wurde irgendwie urbaner, wütender, eben noch rocknrolliger. Parallel zu Gum habe ich aber immer auch andersartige Side-Projekte gefahren. Ich hatte zum Beispiel eine Combo, in der ich Bass spielte und sang, die ziemlich funky war. Die Band arbeitete in Triobesetzung und deren Gitarristen war einfach tierisch . Diese Sideprojekte waren sehr wichtig für mich, da ich mich eigentlich nie auf einen Musikstil festlegen wollte. Ich war musikhungrig und hatte Lust alles auszuprobieren!

?PG: Dein neues Album spiegelt diese Tendenzen sehr eindrucksvoll wieder, da es ja stärker in Richtung zeitgenössische Pop-Musik tendiert.

!SS: Ich habe nie in Schubladen gedacht und mich immer mehr als Songwriter gesehen. Jede musikalische Entwicklung korrespondiert auch immer mit einem entsprechenden Lebensabschnitt. Früher habe ich mich noch mehr von äußeren Umständen beeinflussen lassen und wollte einer bestimmten Szene angehören. Heutzutage will ich mich nicht mehr verstecken und möchte auch meine sentimentale, ruhige Seite ungefiltert zeigen können. Ich habe halt sehr oft eine melancholische Grundstimmung und wenn ich meine Gitarre nehme und einfach so drauflos spiele, dann kommt eben sehr oft etwas balladeskes dabei heraus. Das rührt sicher auch daher, dass ich Eindrücke des Alltags von je her beim Musik machen verarbeitet habe.

?PG: Wie ist es denn dann zum grossen Cut mit Gum gekommen und inwieweit hatte diese Tatsache einen Einfluß auf deine aktuelle Entwicklung?

!SS: Als wir die zweite Gum CD fast schon im Kasten hatten, erhielten wir die Nachricht, dass unser damaliges Label umstrukturiert werden sollte. Die ganzen nationalen Acts wurden entweder gedroppt oder an Epic delegiert. Unser A&R wurde entlassen und wir sahen uns plötzlich mit einem neuen Mann konfrontiert, der so gar nicht auf unseren Sound stand. Zu dieser Zeit war Selig ganz groß und er wollte unbedingt, dass ich auf Deutsch singe. Aber das wollte ich nicht. Das fertige Album wurde dann einfach nicht veröffentlicht und wir waren ziemlich entnervt, weil wir live spielen wollten und sich die Sache - ohne neues Produkt - mehr als schwierig gestaltete. Wir hatten irgendwie das Gefühl, man wollte uns am langen Arm verhungern lassen. In dieser Stress-Situationen kamen dann leider auch Defizite innerhalb der Bandstruktur zum Vorschein und gerade mein Bruder und ich gerieten immer häufiger aneinander. Wir waren wie ein altes Ehepaar, was ja im Grunde genommen auch irgendwie verständlich war, schließlich haben wir über 30 Jahre ständig aufeinandergehockt und einiges zusammen erlebt. Wir machten in dieser Phase gar keine Musik mehr, sondern verschwendeten unsere gesamte Energie darauf, uns zu streiten. Als ich dann komplett ausgebrannt war, fasste ich den Entschluss, mich zurückzuziehen und beendete die Sache. Ich habe dann eine Zeit lang die verscheidensten Jobs angenommen. Unter anderem arbeitete ich auch für die Agentur von Curt Cress (Top Studio Drummer/Produzent Anm. der Red.) in München und schrieb Werbe- und Filmmusik.

?PG: Da muss ich direkt mal einhaken. Wie kommt man an einen solchen Job?

!SS: Zufall. Wir haben unsere Gum CDs in Udo Arndts Audio-Studio aufgenommen. Curt ist Udos Leib- und Magendrummer und hat auf den meisten Arndt-Produktionen die Drums gespielt. Als wir unsere Gum-Sachen aufnahmen, war Curti auch ab und zu mal vor Ort und so lernten wir uns kennen. Da ihm meine Art zu singen und zu schreiben sehr gut gefiel, bot er mir, parallel zur Gum-Produktion, den Job an. Er schickte mir ein paar Playbacks und ich habe getextet und die entsprechenden Melodien entwickelt. Als dann der Break mit Gum da war, intensivierten wir die Zusammenarbeit. Mir tat das sehr gut, da ich Ablenkung fand und gleichzeitig auch meinen Lebensunterhalt sichern konnte. Wenn man immer nur in seinem eigenen Ding lebt, kann es für die Motivation manchmal ganz förderlich sein, sich von allem freizumachen und seinen persönlichen Anspruch eine Zeit lang hinten anzustellen. In diesem Job konnte ich meine stilistische Flexibilität voll ausleben. Es machte mir totalen Spass - ohne mein Gesicht dafür hinhalten zu müssen - auch mal eine Country-Nummer zu singen. Fernab von jedem Image und Plattenkritikern.

?PG: Waren auch bekanntere Produktionen dabei?

!SS: Einge ZDF-Serien und Kino-Werbespots. Ich erinnere mich noch an eine Nummer, die ich für einen Southern Comfort-Kinospot geschrieben habe. Der Slogan war: Mild But Wild (lacht)!

?PG: Wie genau hat man sich so eine Produktion vorzustellen und welche Direktiven geben dir deine Auftraggeber?

!SS: Das Ganze ist absolut zielgruppenorientiert. Meistens haben die Auftraggeber eine konkrete Vorstellung und dann heißt es: Mach doch mal wie....! Im Falle des Southern Comfort-Songs wollte man einen Song im Stil der Smashing Pumkins, da man mit dem Spot ein jüngeres Publikum ansprechen wollte. Meistens sind den Auftraggebern die Original-Titel zu teuer und dann muss halt eine Nummer her, die eine Art Soundalike darstellt. Da ich die Musik der Pumkins ziemlich gut kannte, stellte die Sache kein großartiges Problem für mich dar.

?PG: Wieweit ging dein Job? Hast du auch die Band zusammengestellt, die den Song letztendliche eingespielt hat?

!SS:Es gab keine Band. Ich habe die Basistracks inklusive Bass und allen Gitarren produziert. Dann kam Curt und hat die Drums eingespielt. Zum Schluß steuerte Peter Weihe (Deutschlands meistbschäftigter Studiogitarrero - Anm. der Red.) noch einige abgefahrene Fill Ins bei und fertig war das Ding!

?PG: Zurück zu deiner eigenen Karriere. Wir waren beim Split von Gum stehengeblieben. Was ist dann passiert?

!SS: Ich hatte zunächst keinen konkrete Plan, mit einem neuen Projekt an die Öffentlichkeit zu treten und habe mich zunächst einmal darauf verlegt, zu Hause einige Sachen auf meiner 8-Spur aufzunehmen. Die Songs, die damals enstanden sind, hatten einen sehr zerbrechlichen, fast intimen Charakter. Durch Zufall hörte Alexander von Oswald vom Hamburger Hafenklang Management meinen Song Lonely Vampire und fand in so groß, dass der mir vorschlug, mehr daraus zu machen. Ich wurde von ihm - ich denke das kann man so sagen - aus meinem zeitweiligen Schattendasein zurück ans Licht gezerrt. Wir nahmen dann zwei weitere Songs auf und Alexander ist mit den drei Titeln im Gepäck losgezogen, um einen Deal an Land zu ziehen. Überraschenderweise zeigten gleich mehrere Plattenfirmen Interesse.

?PG: Im Booklet der CD habe ich gelese, dass du zum Beispiel auch die Streicher arrangiert hast. Wie bist du an die Sache rangegangen, eher intuitiv oder kannst du auf fundierte theoretische Kenntnisse zurückgreifen?

!SS: Das läuft alles ganz praxisbezogen ab. Die Führungslinien habe ich meistens schon im Kopf. Für mich ist das nichts anderes, als eine andere Art von Gesangsmelodie. Da ich zu Hause einen Rechner stehen habe, der mit Logic ausgerüstet ist, konnte ich die Harmonielinien in aller Seelenruhe entwickeln und solange testen, bis ich zufrieden war.

?PG: Hast du die Sachen dann auch notiert?

!SS: Nee, leider bin ich kein sonderlich guter Notist. Wir schickten die Aufnahmen der Arrangements zu einem „Fachmann”, der die Stimmen transkribierte und sie auf die verschiedenen Orchester-Instrumente verteilte. Aber auch da muss man vorsichtig sein. Die Jungs gehen das Ganze oft eher theoretisch an und unser Mann packte schon mal lehrbuchmäßig Terzen mit dazu, die den Sound dann irgendwie cheesy werden ließen. Aber ich habe da schon meine konkreten Vorstellungen und habe auf das Heftigste interveniert.

?PG:Du bist ja wirklich sehr unbedarft und mit einem absoluten Vertrauen an die eigenen Fähigkeiten an die Sache herangegangen. Hattest du nicht irgendwie „Schiess”, dass die oft sehr lehrmeisterlich auftretenden Studierten sagen könnten: Hören sie mal, so kann man das aber nicht machen!

!SS: Ich habe in dieser Hinsicht eine ganz gefestigte Einstellung! Dieser Oberlehrer-Mentalität begegnet man auch im Pop Business sehr häufig. Ich halte das für absolut falsch. Die menschliche Kunst dabei ist, in der Lage zu sein, auch andere Herangehensweisen zu akzeptieren, als die eigene. Einfach zu sagen: Hey, wenn du das so machen willst, dann mach das! Es ist zwar nicht mein Ding, aber ich respektiere das! Dieses Denken kann frischen Wind in angestaubte Klischees bringen. Und das ist doch gar nicht schlecht!

?PG: Was ist das eigentlich für ein Gefühl, wenn man dann endlich seine eigenen Arrangements von einem grossen Studio-Orchester gespielt hören kann?

!SS: Es ist unbeschreiblich. Irgendwie surreal. Du sitzt in London in einem Studio, in dem gerade noch Oasis ihre letzte Scheibe aufgenommen hat und hörst ein Riesen-Orchester deinen Song (Snow In June) spielen. Ich dachte spontan: Was hat die Aktion hier jetzt eigentlich mit mir zu tun?! Echt verrückt! Als Dirigent hatten wir Will Malone gewinnen können, der schon so manchem Weltklasse Pop- Album seinen Stempel aufgedrückt hat. Auch ihm hatten wir ein fertiges Arrangement geschickt. Bei einem Mann von seinem Kaliber weiß man dann wirklich nicht genau, ob er das Ganze nicht komplett umschmeißt, um seinen eigenen Sound zu fahren. Als wir erfuhren, dass er unser Ding fast komplett übernommen hatte, waren wir natürlich mächtig stolz. Will hat natürlich noch einige Veredelungen vorgenommen und zum Beispiel French Horns eingebaut. Aber der Mann weiß, was er tut und hat ein echtes Gespür für die richtige Instrumentierung. Da kann man sich sicher sein, dass am Ende der absolute Wahnsinnssound am Start ist. Im Studio fragte er: Who Wrote This? It Sounds Great. Da bin ich mindestens einen Meter grösser geworden (lacht!).

?PG: Du gehst im Frühsommer mit Vonda Sheppard auf Tour. Deine Scheibe ist noch sehr jung. Hast du das Material schon live ausprobiert?

!SS: Wir haben im Dezember 14 Gigs, zusammen mit Labelkollege Laith-Al-Deen absolviert. War 'ne ziemlich coole Sache! Meine Band ist sehr gut und ich bin froh, so versierte Leute am Start zu haben.

?PG: Dann kann man ja auf eure Sommer-Shows gespannt sein. Vielen Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg!

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